Fr, 06.09.2019
19.00 Uhr
Großer Saal
Eintritt frei
Wer Friedemann Hahns Bilder betrachtet, der nimmt eine Herausforderung an, denn für Hahn gleicht das Künstlerleben einer Expedition ins Unbekannte. Seine bildkünstlerische Arbeit ist für ihn „Malereifahrt“, also gleichsam eine Entdeckungsfahrt, in der er die Grenzen des Mediums Malerei auslotet.
Die Figuren seiner Motivwelt, entstammen nicht der Alltagswelt mit ihren bürgerlichen Normen und nützlichen Routinen, sondern sie alle sind so etwas wie eine Risikogruppe, nämlich: Abenteurer, Entdecker, Gangster, Liebhaber, Femmes fatales … und immer wieder Künstler, Schriftsteller und Maler. Friedemann Hahns Malerei speist sich aus der Auseinandersetzung mit Popart und Neo-Expressionismus und führt ihn tief hinein in den Mythos Hollywoods und in die Traumfabrik des europäischen Films. Hahn ist von Anbeginn ein Maler und Dichter mit einer unbändigen Liebe zum bewegten Bild, zum Kino und seinen Traumgestalten. Der Cineast, der Kinomaniac Hahn, der sich zunächst nicht zwischen Literatur und Malerei entscheiden kann, feiert bereits in den 1970er Jahren erste Erfolge mit ungewöhnlichen, figurativen Bildern von Hollywoodgrößen aus dem Film noir, später kommen dann Bilder von Künstlern wie etwa von van Gogh sowie Seefahrer und Entdecker wie Franklin, Amundsen, Scott etc. dazu.
Lange vor den so genannten „Neuen Wilden“ der 1980er Jahre und dem endgültigen Durchbruch der Neuen Figuration im damaligen Westdeutschland steht auch er für die radikale Abkehr von der damals angesagten Minimal Art und der Konzept-Kunst, die im Westen nach dem immer wieder einmal verkündeten Tod der Malerei mit einem neuen, expressiven „Hunger nach Bildern“ (1982) verbunden ist. Eine Wiederaufnahme der Tradition der figurativen Malerei und der expressiven Äußerung auf der Leinwand, die im Osten Deutschlands nie unterbrochen gewesen ist. Trotz aller Leidenschaft für die Figuration scheint es aber beinahe so, als ob die Helden seiner Bilder von der Malerei, im Lauf der Zeit von der Farbe selbst immer stärker attackiert werden, ein künstlerisches Verfahren, dass das Werk des Künstlers seit den 1990er Jahren zunehmend der Abstraktion entgegenträgt und den Gegenstandsbezug weitgehend überformt oder im extremsten Fall beinahe auslöscht.
Hahns Werk gleicht damit dem Versuch einer Quadratur des Kreises zwischen Realismus und Abstraktion. Aus diesem Spannungsverhältnis entwickelt sich eine ganz eigene Form in der Darstellung innerer Bilder und Sehnsüchte, insgesamt gesehen aber auch eine einzigartige Form von Selbstporträts des Künstlers, der sich in diesen zahllosen Rollen spiegelt und auf diese Weise zudem seine künstlerischen Entdeckungsfahrten dokumentiert. Zugleich aber entspinnt sich auf den „Malereifahrten“ Friedemann Hahns immer auch ein intensiver Diskurs über das, was Malerei heute (noch) leisten kann.
Die Ausstellung ist die einzige Ausstellung zum 70. Geburtstag des Malers und Dichters in Deutschland und versammelt exemplarisch über 70 Malereien, Zeichnungen, Radierungen und Objekte aus allen wichtigen Werkphasen des Künstlers, der überdies zum ersten Mal in Mitteldeutschland präsentiert wird.
Das Literaturhaus Halle dankt Friedemann Hahn, der selbst wichtige Leihgaben beigesteuert hat, für sein Vertrauen, sowie den öffentlichen und privaten Leihgebern, die diese Ausstellung erst möglich machen.
Lesungen aus dem dichterischen Werk Friedemann Hahns und exemplarisch literarischer Bezugspersonen, wie z. B. den Briefeschreibern Arthur Rimbaud und Vincent van Gogh, runden die Präsentation ab. Dazu geplant ist ein Filmabend und ein Salon Suckel mit dem Maler.
Biografische Informationen:
Der Maler und Dichter Friedemann Hahn wurde am 24. Mai 1949 nahe der Schweizer Grenze in Singen am Hohentwiel geboren, wuchs in Hinterzarten im Schwarzwald auf und ging dort zur Schule. Nach Übungen in Aktzeichnen bei Prof. Walter Hergenhahn an der Städelschule in Frankfurt am Main (1969–70) sowie ersten literarischen Erfolgen, studierte Hahn Malerei bei Prof. Peter Dreher an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Freiburg im Breisgau und darauf als Meisterschüler an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Karl Otto Götz (1970–76).
Als Maler wird er mit den wichtigsten westdeutschen Kunstpreisen und Stipendien ausgezeichnet, so unter anderem 1977 mit dem Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes; seine Bilder zeigt er seit 1973 regelmäßig im In- und Ausland. Er veröffentlicht seit 1970 zahlreiche Publikationen (Gedichte, Prosa, Texte zur Kunst). 1976 Arbeitsaufenthalt auf Schloss Wolfsburg und erste Einzelausstellung. 1979 Aufenthalt in Florenz in der Villa Romana, 1982/83 und 1985 in Rom an der Villa Massimo. Neben seiner künstlerischen Arbeit lehrte Hahn seit 1981 an verschiedenen Hochschulen.
1991 Berufung als Professor für Malerei an die heutige Kunsthochschule Mainz in der Johannes Gutenberg-Universität; dort leitete er bis 2014 eine Klasse für Malerei. Friedemann Hahn lebte und arbeitete bis 2018 bei Todtnau im Schwarzwald. Seitdem hat er mit seiner Frau Doris Waldmann in Schleswig-Holstein eine neue Wirkungsstätte gefunden.
Foto: Uwe Jacobshagen
Öffnungszeiten der Ausstellung:
jeweils eine Stunde vor den Abendveranstaltungen des Literaturhauses oder nach telefonischer Vereinbarung (0345 132 525 13)
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