Veranstaltungen

Do, 23.09.2021
19.00 Uhr
Großer Saal

8.00 €
5.00 € ermäßigt

Gespräch mit Helmut Böttiger „Die Jahre der wahren Empfindung. Die 70er – eine wilde Blütezeit der deutschen Literatur“

Ein bunt schillerndes Bild der politischen, kulturellen und literarischen Prozesse dieses Jahrzehnts zwischen Aufbruch und Desillusionierung.

 

Die 70er Jahre waren ganz anders. Gerade die Parole vom »Tod der Literatur«, die mit der Nummer 15 des »Kursbuchs« 1968 verbunden wurde, löste eine nach allen Seiten hin wuchernde und wilde Blütezeit der Literatur aus! Überall wurden kleine alternative Literaturzeitschriften, Verlage und Buchhandlungen gegründet, für die Hoch- und Subkultur keine Gegensätze mehr waren. Eine neue Generation begann nach unterdrückten Gefühlen, nach Freiräumen für die eigene Subjektivität zu suchen. Peter Schneiders Erzählung »Lenz« wirkte wie ein Fanal. Rolf Dieter Brinkmann, Nicolas Born oder Jürgen Theobaldy, beeinflusst von der angloamerikanischen Beat-Generation, standen für eine Lyrik, die die Grauzonen des deutschen Alltags mit grellen Farben aufmischte. Der durch die Revolte mitinitiierte Feminismus hatte mit Verena Stefans »Häutungen« oder Karin Strucks »Klassenliebe« erste Bestseller, gleich mehrere Autoren wandten sich den Prägungen durch ihre Naziväter zu, und mit Wilhelm Genazino und Eckhard Henscheid ergaben sich erste charakteristische Durchdringungen von Tragik und Komik. In denselben Jahren entstanden mit den großen Büchern von Uwe Johnson, Peter Handke, Peter Weiss, Ingeborg Bachmann oder Arno Schmidt Monumente eines Bewusstseins nach der Moderne. Zeitgleich mit dem optimistischen Lebensgefühl der Willy-Brandt-Jahre der Bundesrepublik erlebte auch die DDR die Zeit ihrer größten Lockerungen – an Beispielen von Christa Wolf, Franz Fühmann und anderen werden die Widersprüche deutlich -, bis die Biermann-Ausbürgerung ihnen 1976 ein Ende setzte. Und ebenso wirft Böttiger Seitenblicke in die Schweiz zu Fritz Zorn und Hermann Burger und nach Österreich, wo er die Selbstüberbietungsprosa eines Thomas Bernhard als ein zentrales Ergebnis der siebziger Jahre sieht.

Helmut Böttiger, geb. 1956, studierte Germanistik und Geschichte in Freiburg. Seit 2002 arbeitet er als freier Autor, Literaturkritiker und Essayist. 2013 erhielt er für sein Buch »Die Gruppe 47« den Preis der Leipziger Buchmesse im Bereich Sachbuch. Im Wallstein Verlag veröffentlichte er »Celan am Meer« (2017) und gab »Doppelleben. Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland« (2009) sowie »Geistesgegenwärtig. Szenen einer deutschen Kulturgeschichte« (2015) heraus.

 

Moderation: Alexander Suckel

 

Foto: © Cordula Giese

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