Das Literaturhaus Halle startet durch
An einem dunklen Novembertag des Jahres 2016 treffen sich Roman Pliske, Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verlages, und der Theatermann und Autor Alexander Suckel wie so oft im Café Ludwig zum Absacker. Beide kennen sich schon lange, wie denn überhaupt im überschaubaren Halle (Saale) jeder jeden kennt, der oder die „irgendwas mit Kultur“ zu tun hat. Die Wege sind hier kurz und der Mut zu Neuem ist nicht allzu groß. Pliske und Suckel wollen ein Projekt verwirklichen, das Projekt heißt „Literaturhaus Halle“. Aber die berühmt-berüchtigten Wasserglas-Lesungen mit fünf bis zehn Gästen gibt es natürlich schon, so also nicht. Anders, gewagter, größer irgendwie, denn Literatur braucht Raum und viele Partner.
Das alte Kunstforum der Saalesparkasse in einer Gründerzeitvilla steht leer, das wäre ein guter Leseort…Nur, wie soll das gehen? Bernd Wiegand, Oberbürgermeister der Stadt und ein Literaturbegeisterter, macht mit und wird schnell konkret. Das Literaturhaus gewinnt in wenigen Monaten Kontur. Die Universität, die Akademie der Künste Sachsen-Anhalt, der Mitteldeutsche Rundfunk, die Nationale Akademie Leopoldina, die Franckeschen Stiftungen und viele andere werden ins Boot geholt und – natürlich – muss ein Verein gegründet werden.
Anfang März 2018 soll es an den Start gehen, und das gelingt. Die Kommune fördert das Vorhaben im ersten Jahr mit 60 000 Euro, die Saalesparkasse sieht die Chance zur Imagepflege und gibt Geld, fordert aber vom Verein Miete.
Das Eröffnungswochenende vom 2. bis 4. März bietet viel: Die Nominierten für den Preis der Leipziger Buchmesse lesen, Judith Herrmann und der Lyriker Jan Wagner sind dabei. Es gibt eine Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche, die Akademie der Künste stellt aus. Mehr als 1 200 Leute besuchen an diesen drei Tagen 16 Veranstaltungsformate.
Heute ist Alltag in die Stadtvilla eingezogen, stiller ist es nicht geworden. Zur Buchpremiere des neuen Lyrikbandes „Gotische Knoten“ von Wilhelm Bartsch kommen 100 Zuhörerinnen und Zuhörer. OB Wiegand moderiert die Reihe „Bernd, Buch & Bürger“, zunächst mit Reiner Calmund und Barbara Sichtermann; eine kuriose Reihenfolge, die aber funktioniert. Am 9. Juni liest der Leipziger Lyriker Andreas Reimann. Die Zusammenarbeit mit dem Haus des Buches in Leipzig ist fruchtbar; man nimmt sich weder Publikum noch Autoren weg. Das ist auf dem Literaturmarkt der Eitelkeiten selten.
Alexander Suckel ist optimistisch, dass das Interesse am Literaturhaus anhalten wird: „Das hier ist die schönste aller Welten.“ Im Treppenaufgang gibt es eine Pinnwand, an die jeder seine Eindrücke heften kann. Auf einem Zettel steht: „Will jemand das Bonbon mit mir teilen?“, auf einem anderen: „Glücklich? Glücklich!“
Klaus Pankow
erschienen am 19.05.2018 in der Zweiwochenschrift Ossietzky
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